6.6.2021
Business

The 22 Immutable Laws of Marketing - Al Ries & Jack Trout

Warum sind manche Unternehmen so erfolgreich während andere scheitern? Ein Grund liegt hier häufig im Marketing.
David Werner
Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Es ist der 1. April 2020 als die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH beim Amtsgericht Essen einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens stellt. Es folgt ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung – mehr als 40 Warenhaus-Filialen sollen geschlossen werden und tausende Jobs wegfallen. Der offizielle Grund: Corona. Aber vielleicht auch nur der Auslöser für ein eigentlich schon längeres Problem?

Denn laut der Wettbewerbsstrategie sind hauptsächlich folgende Unternehmen langfristig erfolgreich: Kleine und spezialisierte Unternehmen oder große Unternehmen, die fast den gesamten Markt abdecken. Das Problem von Galeria Karstadt Kaufhof: Sie sind in der Mitte gefangen – also „stuck in the middle“ wie man so schön sagt.

Porters Konzepte zu Wettbewerksstrategien: stuck in the middle

Die richtige Marketingstrategie ist also essentiell für das Überleben eines Unternehmens. Laut Al Ries und Jack Trout gibt es 22 unumstößliche Marketing-Gebote, die sie in ihrem Buch „The 22 Immutable Laws of Marketing*“ vorstellen. Diese möchten wir uns jetzt im Detail anschauen.

22 Marketing-Regeln

1. The Law of Leadership

Wisst ihr wie die erste Person hieß, die es alleine geschafft hat, über den Atlantik zu fliegen?

Vielleicht habt ihr ja schon mal den Namen Charles Lindbergh gehört. Und wie hieß die zweite Person, die es geschafft hat? Den Namen Bert Hinkler werden wahrscheinlich nur die wenigsten schon mal gehört haben – obwohl er eigentlich ein besserer Pilot als Lindbergh war und weniger Sprit verbrauchte. Trotzdem kennt den Namen Bert Hinkler heutzutage keiner.

Deshalb Regel eins: Man sollte lieber versuchen, der Erste zu sein, als besser zu sein. Viele Unternehmen konzentrieren sich aber gerade darauf: Also ein besseres Produkt anzubieten. Laut Al Ries und Jack Trout sollte man lieber versuchen, in einer bestimmten Kategorie der erste zu sein. Denn das setzt sich in den Köpfen der Menschen fest und man hat auch gute Chancen darauf, dass der Markenname zum Gattungsbegriff wird (wie bei Tempo, Tesa oder Tetra Pak).

Erster Mensch, der den Atlantik überquert hat: Charles Lindbergh

2. The Law of the Category

Was aber, wenn man nicht der erste sein kann? Dafür gibt es Regeln Nummer zwei: The Law of the Category. Wenn man nicht erster in einer Kategorie sein kann, sollte man versuchen, eine neue Kategorie zu schaffen, in der man erster sein kann. Amelia Earhart ist beispielsweise die dritte Person, die alleine den Atlantik überflog. Sie ist aber nicht dafür bekannt, die dritte gewesen zu sein, sondern sie war die erste Frau, die alleine über den Atlantik geflogen ist - und zwar 1932.

Erste Frau, die den Atlantik überquert hat: Amelia Earhart

3. The Law of the Mind

Die dritte Regel schließt direkt an das bereits gehörte an. Und zwar reicht es nicht nur der erste auf dem Markt zu sein, sondern man sollte auch der erste sein, der sich in den Köpfen der Menschen festsetzt. Hat man das einmal geschafft, kann man die Wahrnehmung der Menschen über ein bestimmtes Produkt nur noch sehr schwer bis gar nicht mehr ändern.

Apple hat es beispielsweise durch den einfachen Namen geschafft. Denn damals hatten die anderen Konkurrenzprodukte komplizierte Namen wie Radio Shack TRS-80. Der Apple PC hieß dahingegen einfach Apple II.

4. The Law of Perception

Hier sagen die Autoren, dass es keine objektive Realität gibt. Deshalb:

"Marketing Is Not a Battle of Products, It’s a Battle of Perceptions."

Ries, A. & Trout, J. (1994). Ries, A: 22 Immutable Laws Of Marketing (Main Aufl.). Profile Books. S.18.

Es geht also um die Wahrnehmung, sprich: Was denken die Menschen über ein Produkt oder die Marke?

Al Ries und Jack Trout geben hier beispielsweise eine Blindverkostung an, in der die Pepsi-Cola im Vergleich zur originalen Cola beim Geschmackstest besser abgeschnitten hat. Trotzdem würden die meisten von uns wahrscheinlich eher zur originalen Cola greifen als zur Pepsi-Cola. Wir glauben also das, was wir glauben wollen und schmecken das, was wir schmecken wollen. Es geht also nicht um den Geschmack, sondern um die Wahrnehmung. Hier nehmen wir auch gerne die allgemeine Meinung an: Also es weiß doch jeder, dass die originale Coke besser schmeckt.

5. The Law of Focus

Wenn eine Marke es schafft, ein Wort in den Köpfen der Kunden zu besitzen und damit ein bestimmtes Bild zu erzeugen, dann kann man unglaubliche Erfolge erzielen – so die Autoren. BMW verbindet man beispielsweise mit Fahrspaß und Red-Bull mit Energy-Drinks.

Das perfekte Wort erzeugt auch einen Halo-Effekt, also dass man damit automatisch andere Eigenschaften verbindet. Sicherheit verbindet man zum Beispiel auch mit Engineering.

6. The Law of Exclusivity

Man sollte allerdings darauf achten, dass dieses Wort nicht bereits durch eine andere Marke belegt ist. Eine Automarke kann zum Beispiel nicht plötzlich auch für Sicherheit stehen – denn dieser Begriff gehört bereits Volvo.

7. The Law of the Ladder

Je nachdem wo man auf der Leiter steht, sollte man seine Marketingstrategie anpassen. Die Nummer 1 braucht also eine andere Strategie als die Nummer 2.

Nehmen wir den Autovermieter Avis als Beispiel. Obwohl sie auf der Nummer 2 nach Hertz stehen, warben sie lange Zeit damit, die besten zu sein. Nicht wirklich glaubwürdig, wenn man nicht die Nummer 1 ist. Erst als sie ihre Position anerkannt haben und damit ihren Slogan zu „We try harder“ geändert haben, konnten sie wirkliche Erfolge verbuchen.

Laut einem Harvard Psychologen scheint es allerdings eine Obergrenze zu geben – denn bei den meisten Menschen schaffen es höchstens sieben Unternehmen auf die persönliche Rangliste. Oder wie viele Cola-Marken fallen euch neben Coca-Cola und Pepsi-Cola noch ein?  

8. The Law of Duality

Wahrscheinlich sind euch jetzt nicht mehr viele andere Cola-Marken eingefallen. Denn das sagt auch Gesetz 8: Es ist häufig so, dass auf lange Sicht gesehen, nur zwei Marken übrig bleiben. So haben wir beispielsweise:

  • McDonald's und Burger King
  • Coca-Cola und Pepsi-Cola

9. The Law of the Opposite

Wenn man auf dem zweiten Platz steht, sollte man seine Strategie an der Nummer 1 ausrichten – was nicht bedeutet dass man alles kopieren sollte. Ganz im Gegenteil: Man sollte sich bewusst gegen die führende Marke als Alternative positionieren, indem man zum Beispiel die Gegenposition einnimmt.

10. The Law of Division

Mit der Zeit werden aus einer Kategorie mehrere Unterkategorien. So hat beispielsweise alles mit Computern angefangen und mittlerweile unterscheidet man zwischen Workstations, PCs, Smartphones, Embedded Systems, Thin Clients, etc..

Unterschiedliche Rechnerklassen

Was man allerdings nicht machen sollte, ist einen etablierten Namen nehmen und diesen  für verschiedene Kategorien benutzen. Das kann zwar teilweise schon funktionieren - oft tut es das aber nicht. Besser ist es, eine neue Marke einzuführen, damit ganz klar bleibt, für was die ursprüngliche Marke steht.

Oder würdet ihr euch einen Lamborghini kaufen, auf dem VW drauf steht? Gehört zwar alles zum selben Konzern, aber trotzdem ist die Wahrnehmung für die beiden Marken natürlich eine komplett andere.

11. The Law of Perspective

Hier geht es darum zu erkennen, dass Marketing Zeit braucht. Was vielleicht kurzfristig einen großen Erfolg bringt, ist im Normalfall nicht wirklich nachhaltig auf lange Sicht gesehen. So können dauerhafte Rabattaktionen dem Unternehmen zwar kurzfristig einen Schub verpassen, aber langfristig schaden sie eher, da sie wie eine Droge sind, bei der man immer nachschießen muss – siehe Praktiker. Besser ist es, eine dauerhafte Niedrigpreisstrategie zu fahren (wie es bspw. die Discounter machen).

12. The Law of Line Extension

Das Problem vieler Firmen ist, dass sie versuchen alles für jeden anzubieten – oft unter dem gleichen Namen. Keine wirklich gute Idee, denn dann weiß keiner mehr für was die Marke eigentlich steht. Besser ist es, sich auf seine Kornkompetenz zu besinnen oder neue Markennamen einzuführen. Weniger ist hier also tatsächlich mehr.

13. The Law of Sacrifire

Der nächste Punkt schließt hier direkt an. Denn manchmal muss man etwas aufgeben, um etwas zu bekommen. Also nicht alles für jeden anbieten – sondern sich auf die Kernkompetenz konzentrieren. So hat Pepsi beispielsweise mal beschlossen, ihre Cola nicht mehr für alle zu bewerben, sondern bewusst Teenager anzusprechen. Somit wurde das Produkt aber auch von Erwachsenen gekauft, die sich wieder jung fühlen wollten.

14. The Law of Attributes

Hier sollte man sich neue Produktvorteile einfallen lassen und gegebenenfalls mit den gegenteiligen Eigenschaften zu werben.

Wirbt ein Zahnpasta Hersteller beispielsweise damit, Karies bekämpfen zu können, dann wäre es nicht wirklich schlau, genau das gleiche zu machen. Besser wäre es, neue Produktvorteile zu finden. Wie beispielsweise ein besonders frischer Atem oder weißere Zähne.

15. The Law of Candor

Offenheit kann sich auszahlen – auch im Marketing. Ein sehr effektiver Weg, um im Kopf der Menschen hängen zu bleiben, ist es, eine negative Eigenschaft zuzugeben und sie in eine positive zu verwandeln.

So hat Listerine seine Mundspülung beispielsweise nicht damit beworben, dass sie einen besonders guten Geschmack hat – denn welche Mündspülung hat das schon. Ihr Slogan: „The taste you hate twice a day“. Sie geben also nicht nur offen zu, dass ihre Mundspülung nicht schmeckt, sondern auch, dass die Menschen sie hassen. Aber dadurch solle sie besonders gut gegen Keime wirken, denn die meisten Menschen denken, dass etwas Desinfizierendes schlecht schmecken muss.

16. The Law of Singularity

Hier geht’s darum, dass bereits ein Schritt große Auswirkungen haben kann. Kleine ineffektive Schritte bringen einen allerdings im Normalfall nicht weiter.

Die Autoren nennen hier als Beispiel General Motors. Denn als japanische und deutsche Autos GM im Niedrig- und Hochpreissegment schlugen, machte GM eine fatale Fehlentscheidung: Sie konzentrierten sich auf die Mittelklassemodelle, allerdings blieb die Karosserieform gleich, sodass keiner mehr einen Chevrolet von einem Pontiac unterscheiden konnte. Vor allem auch dann ein Problem, wenn das Auto als Statussymbol gesehen wird.

17. The Law of Unpredictability

Hier sollte man erkennen, dass man die Zukunft aus Marketing-Sicht kaum vorhersagen kann. Das Problem ist nämlich oft, dass viele Unternehmen nur eine sehr kurzfristige Sicht auf Umsätze und Budgets haben. Was hier zählt, ist oft nur der nächste Quartalsbericht. Das lässt sich aber nicht wirklich mit einer langfristigen Marketing-Strategie vereinbaren. Um eine Vorstellung von der Zukunft zu bekommen, kann man auf Trends achten. Allerdings muss man auch sehr vorsichtig sein, denn viele Trends sind auch sehr schnell wieder weg und oft handeln die Menschen auch nicht so wie man es erwartet.

18. The Law of Success

Erfolg führt oft zu Arroganz und Arroganz führt zum Scheitern. Sobald eine Firma Erfolg hat, wird sie häufig dazu verleitet, ihren Markennamen überall drauf zu drucken. Das führt aber sehr oft nicht unbedingt zum Erfolg. Deshalb sollte man sein Ego zügeln und wie ein Kunde denken.

Eine Harvard-Studie aus dem Jahr 2006 kam beispielsweise zu dem Ergebnis, dass Top-Manager knapp ¾ ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen. Alles Zeit, die die Manager eigentlich an der Front verbringen sollten. Also mal im eigenen Restaurant essen oder im eigenen Laden einkaufen.

Wie Topmanager ihre Zeit verbringen

19. The Law of Failure

Fehler passieren – und wenn sie passieren, sollte man schnell handeln. Also Verluste begrenzen und weitermachen. Wichtig ist hier auch, dass ein Unternehmen es zulässt und fördert Fehler zu machen – außer man man den gleichen Fehler mehrmals. Oft ist die Angst vor dem eignen Karriereende so groß, dass man lieber in geordneten Bahnen bleibt, statt etwas neues auszuprobieren.

20. The Law of Hype

Eine erfolgreiche Marke braucht keinen Hype. Oft sind es nämlich genau die Unternehmen, die in der Presse beworben werden, die am Ende scheitern. Denn Innovationen sind unberechenbar und nachhaltiger Erfolg braucht Zeit.

21. The Law of Acceleration

Erfolgreiche Programme bauen nicht auf Modeerscheinungen (Fads) auf, sondern auf Trends.

Modeerscheinungen können zwar kurzfristig profitabel sein, aber sie halten im Normalfall nicht lange an. Man muss also schnell sein, wenn man hier Gewinne machen will. Wenn es geht, sollte man versuchen, eine Modeerscheinung in einen Trend zu verwandeln. Beispielsweise begrenzte der Manager von Elvis Presleys die Auftritte, sodass es immer ein großes Ereignis war, wenn der Sänger auftrat.

Law of Acceleration

22. The Law of Resources

Eine wichtige Sache haben wir jetzt noch gar nicht angesprochen: Und zwar das liebe Geld. Egal wie gut eine Idee ist, man braucht Geld, um sie in die Köpfe der Menschen zu bringen - so die Autoren. Denn große Unternehmen geben Unmengen an Geld aus, um ihre Produkte zu bewerben. Da ist es relativ schwierig ohne Geld mitzuhalten – wobei es da heutzutage mit dem Internet & Social-Media natürlich auch komplett neue Möglichkeiten gibt.

Ranking der Top-10-Werbetreibenden in Deutschland

2 zusätzliche Regeln

Jetzt gibt es noch zwei zusätzliche Regeln, die meine Uni-Professorin Doris Polzin aufgestellt hat:

  1. Dialogbereitschaft der Marken (bspw. durch Social-Media und das Internet)
  2. Gesellschaftspolitische Stellungnahme (Wie steht die Marke zum Beispiel zum Thema Nachhaltigkeit?

Fazit

Bleibt noch mein persönliches Fazit: Ich würde mal sagen, dass das Buch auf jeden Fall eine Pflichtlektüre für alle ist, die irgendwas mit dem Thema Marketing zu tun haben. Aber es hilft natürlich auch sehr, um die Entscheidung vieler Unternehmen besser nachvollziehen zu können und zu sehen, warum manche Marken so erfolgreich sind und andere nicht. Vor allem hat das Buch auch nur knapp 130 Seiten und ist damit auf jeden Fall ziemlich kompakt geschrieben. Schade ist nur, dass dadurch, dass das Buch bereits 1994 erschienen ist, die Beispiele nicht mehr wirklich aktuell sind. Deshalb habe ich auch an der ein oder anderen Stelle eigene Beispiele eingestreut oder Zahlen aktualisiert.

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