Egal ob wir es wollen oder nicht – wir müssen im Leben ständig verhandeln. Sei es bei einer Gehaltserhöhung, beim Autokauf oder wenn es darum geht, welchen Film man heute Abend im Kino schaut.
Der klassische Weg bei einem Kauf oder Verkauf wäre, dass eine Seite einen extrem hohen Preis aufruft – wie zum Beispiel 10.000 € – die andere Seite einen extrem niedrigen Preis – wie 1.000 € – und dann trifft man sich vielleicht am Ende irgendwo in der Mitte.
Mein Name ist David und heute schauen wir uns an, warum diese Strategie nicht wirklich gut geeignet ist. Wie es stattdessen besser geht, zeigen Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton in ihrem Buch „Das Harvard-Konzept“.
Eine klassische Verhandlung
Das Grundproblem einer jeden Verhandlung ist eigentlich das gleiche: Man muss für unterschiedliche Interessen eine Lösung finden und dabei versuchen, Differenzen zu überbrücken, sodass es für beide Seiten annehmbar wird.
Oft geht es bei Verhandlungen aber gar nicht so sehr um die Sache. Stattdessen stehen die Positionen im Vordergrund. Man hat also auch das Gefühl, dass am Ende einer als „Gewinner“ und der andere als „Verlierer“ aus der Verhandlung gehen muss. Deshalb wird oft hin und her gefeilscht – während die eigentliche Sache in den Hintergrund gerät.
Das braucht nicht nur unglaublich viel Zeit und Nerven, sondern kann auch die Beziehung zerstören, sodass man in der Zukunft nicht mehr gut aufeinander zu sprechen ist.
Eine gute Verhandlung sollte möglichst effizient sein und dafür sorgen, dass das gute Verhältnis nicht auseinander bricht. Außerdem sollte am Ende eine sinnvolle Lösung herauskommen, die für alle etwas Gutes an sich hat.
Und genau das erreicht man mit dem sog. „sachbezogenen Verhandeln“. Diese Methode liegt zwischen der harten und der sanften Tour, die viele Menschen ansonsten einschlagen. Man ist also hart in der Sache, aber weich zu den Menschen.
Vor der Verhandlung
Bevor man überhaupt in eine Verhandlung startet, sollte man sich fragen, ob man überhaupt verhandeln sollte. Dazu kann man sich drei Fragen stellen:
- Haben die Beteiligten Handlungsspielraum? Der Preis für ein Busticket ist zum Beispiel schon vorgegeben und da ergibt es wenig Sinn mit dem Busfahrer einen neuen Preis auszuhandeln.
- Gibt es Erfolgschancen? Wenn nicht, dann braucht man die Verhandlung erst gar nicht beginnen.
- Gibt es Alternativen zur Verhandlung?
Das Harvard-Konzept
Sollte man sich zum Verhandeln entscheiden, kann man sich den 4 Grundsätzen des Harvard-Konzepts bedienen.
1. Menschen und Sachfragen trennen
Statt seine Verhandlungspartner als Freunde oder Feinde zu sehen, sollte man sich lieber auf die gemeinsame Problemlösung konzentrieren. Denn oft verbinden wir beim Verhandeln das Sachproblem mit der persönlichen Beziehung, was schnell dazu führen kann, dass man sich durch die Aussagen des Gegenübers angegriffen oder gekränkt fühlt.
Deshalb sollte man die inhaltlichen Punkte klar und sachlich benennen und Angriffe auf den Gesprächspartner vermeiden.
Durch aktives Zuhören erreicht man, dass die andere Person das Gefühl bekommt, gehört zu werden – auch wenn man nicht unbedingt die gleiche Meinung vertritt.
2. Interessen und nicht Positionen in den Mittelpunkt stellen
Wenn ihr mit eurem Chef über eine Gehaltserhöhung sprecht, ist eure Position ganz klar: Ihr wollt mehr Geld haben. Allerdings können da die verschiedensten Interessen dahinterstecken: Vielleicht wollt ihr öfter in Urlaub fahren, wollt eure Freunde neidisch machen oder ein Haus kaufen.
Die Interessen sind also die stillen Beweggründe wie Wünsche oder Sorgen, die hinter einer Position stehen, die jemand vertritt.
Um erfolgreich zu verhandeln, sollte man zuerst einmal herausfinden, worum es der anderen Person eigentlich wirklich geht. Denn dann findet man vielleicht gemeinsame Interessen und kann neue Lösungsansätze entwickeln. Aber auch entgegengesetzte Interessen können für eine Verhandlung sehr sinnvoll sein. Zwei Schwestern streiten sich um eine Orange. Was macht also die Mutter? Genau: Sie schneidet die Orange in zwei Hälften. Während das eine Kind nun aus dem Fruchtfleisch Orangensaft presst und die Schale wegwirft, nimmt das andere Mädchen die Schale zum Kuchenbacken und wirft das Fruchtfleisch weg.
Das Problem: Sie haben sich auf das Was versteift („Ich will die Orange haben“), statt nach dem Warum zu schauen. Das Warum wäre hier:
- „Ich will Orangensaft trinken“
- „Ich will Kuchen backen“
3. Optionen entwickeln, von denen alle profitieren
In einer Verhandlung sollte man sich nicht auf eine Lösung versteifen und versuchen diesen Ansatz mit aller Gewalt durchzusetzen. Stattdessen sollte man im Vorhinein verschiedene Lösungsansätze entwickeln (bspw. durch Brainstorming) und auch während der Verhandlung sollte man flexibel bleiben.
Man sollte sich aber über seine eigenen Interessen und Ziele im Klaren sein, damit man diese mit der Gegenseite abgleichen kann und dadurch vielleicht ganz neue Wege findet, bei denen beide Interessen berücksichtigt werden können. Eine Win-Win-Situation also.
4. Auf objektive Kriterien bestehen
Um ein faires Ergebnis für beide Seiten zu erzielen, können objektive Kriterien sinnvoll sein. Das erleichtert nicht nur die Entscheidungsfindung, sondern erhöht auch die Akzeptanz beider Seiten.
Dabei hilft es, das Problem zu einem gemeinsamen zu machen und dann Kriterien zu finden, die eine sachliche Lösung ermöglichen.
Streitet man sich beispielsweise mit dem Architekten über die Tiefe des Fundaments für ein Haus, können branchenübliche Standards oder Vergleiche mit ähnlichen Häusern in der Umgebung als objektive Kriterien herangezogen werden.
BATNA
Was kann man aber machen, wenn der Verhandlungspartner einfach nicht mitmacht und man es nicht schafft, eine gemeinsame Einigung zu erzielen?
Für diesen Fall sollte man sich seiner „Best Alternative to a Negotiated Agreement“ (BATNA) – also der besten Alternative zu einer Verhandlungslösung – bewusst sein. Diesen Plan B sollte man bereits vor der Verhandlung entwickeln. Das sorgt einerseits dafür, dass man nicht ein Angebot annimmt, das eigentlich schlechter ist als die Alternative und außerdem stärkt das die eigene Verhandlungsposition, wenn man genau weiß, dass es noch andere Alternativen gibt.
Persönlicher Angriff
Sollte die andere Seite versuchen einen persönlich anzugreifen, hat man grundsätzlich drei Möglichkeiten:
- Man hält sich emotional zurück und konzentriert sich weiterhin auf die Sachebene
- Man leitet die Aufmerksamkeit der anderen Person bewusst auf die Sachebene um – das sog. „Verhandlungs-Jiu-Jitsu“
- Man benutzt das sog. „Ein-Text-Verfahren“ und schaltet einen Dritten ein. Der Dritte kann dann den verschiedenen Interessen entsprechend einen Lösungsvorschlag entwickeln – und dieser Vorschlag wird dann so oft angepasst, bis alle zufrieden sind.
Unfaire Tricks
Wenn die andere Seite zu unfairen Tricks greift, sollte man auf keinen Fall mit den gleichen Waffen zurückschlagen. Offensichtliche Tricks kann man ansprechen – wobei man aber auch keinen persönlich angreifen sollte. Stattdessen kann man einfach die Fakten aussprechen. Anstatt also jemandem vorzuwerfen, einen direkt in die Sonne gesetzt zu haben, damit man geblendet wird, kann man auch einfach sagen, dass einen die Sonne stört und man sich entweder umsetzt oder die Tagesordnung ändert.
Mehr Verhandlungstricks
Mehr zum Thema Verhandeln findet ihr übrigens auch in dem Buch „Kompromisslos verhandeln“ vom ehemaligen FBI-Verhandlungsführer Chris Voss.
Die Verhandlungs-Checkliste nach "Das Harvard-Konzept"
- Bearbeiten Sie Beziehungsprobleme vorranging
- Trennen Sie Person und Sache
- Versetzen Sie sich in die Lage der anderen, hören Sie aktiv zu, fragen Sie nach
- Konzertieren Sie sich auf Interessen, nicht auf Positionen - wo liegen die Konflikte?
- Entwickeln Sie Optionen, von denen alle profitieren - suchen Sie den gemeinsamen Gewinn
- Einigen Sie sich gemeinsam auf objektive Kriterien
- Behalten Sie Ihre BATNA im Auge (Beste Alternative zu einer Verhandlungslösung) - und die der anderen
- Ist der Abschluss fair - und verbindlich?