Das "innere Kind"
Laut Stefanie Stahl liegen viele unsere Probleme im „inneren Kind“. Das sind im Endeffekt alle Prägungen aus der Kindheit, die wir natürlich vor allem von unseren Eltern aber auch von anderen Menschen vermittelt bekommen haben.
Gerade negative und traumatische Erinnerungen können sich sehr stark verankern und uns im Unterbewusstsein bis ins Erwachsenen-Ich verfolgen und uns daran hindern, uns voll zu entfalten. Unser Urvertrauen ist also gestört. Aber wie kann man das wieder zurückerlangen?
Glaubenssätze
Neben unseren Genen haben unbewussten Glaubenssätze einen großen Einfluss. Glaubenssätze sind die Brille, durch die wir die Welt wahrnehmen. Viele davon entstehen in den ersten sechs Lebensjahren und werden maßgeblich von den nächsten Bezugspersonen geprägt – also bei den meisten von den Eltern.
Die Glaubenssätze können dabei entweder positiv sein – wie zum Beispiel: „Ich darf Fehler machen“ oder „Ich werde geliebt“. Aber sie können natürlich auch negativ sein, wie zum Beispiel: „Ich bin nichts wert“ oder „Ich bin dumm“.
Während die positiven Glaubenssätze in Situationen entstanden sind, in denen wir uns von unserer wichtigsten Bezugsperson angenommen und geliebt gefühlt haben, ist bei negativen Glaubenssätzen genau das Gegenteil der Fall.
Dabei können uns Glaubenssätze ziemliche Probleme bereiten, weil sie Einfluss auf unsere Wahrnehmung haben und die wiederum wird von unseren Gefühlen beeinflusst.
Gerade die ersten zwei Lebensjahre sind entscheidend – denn in dieser Zeit entwickelt man das sog. Urvertrauen, weil man in dieser Zeit seinen Eltern vollkommen ausgeliefert ist. Dieses Urvertrauen bzw. Urmisstrauen nimmt maßgeblich Einfluss auf unser weitere Leben.
Die vier psychologische Grundbedürfnisse
Dabei ist laut "Das Kind in dir muss Heimat finden" Selbsterkenntnis der Weg, um ein besserer Mensch zu werden und sich aus seinen Problemen zu befreien. Stefanie Stahl teilt hier in vier psychische Grundbedürfnisse ein:
Das Bedürfnis nach…
- …Bindung
- …Autonomie und Kontrolle
- ...Lustbefriedigung und Unlustvermeidung
- …Selbstwerterhöhung bzw. Anerkennung
Im Normalfall kann man jegliche psychische Probleme auf die Verletzung einer oder mehrerer dieser Grundbedürfnisse zurückführen.
Schattenkind
Generell teilt Stefanie Stahl in das Schattenkind und das Sonnenkind ein. Zum Schattenkind gehören alle negativen Glaubensätze, aus denen Gefühle wie Angst, Trauer oder Wut entstehen. Um diese Gefühle zu unterdrücken bzw. zu verdrängen, werden verschiedene Schutzstrategien entwickelt.
Schutzstrategien
Einteilen kann man das Ganze in
- Anpassung,
- Rückzug und
- Überkompensation.
Realitätsverdrängung ist dabei auch eine Selbstschutzstrategie und im Endeffekt laufen auch die anderen Strategien darauf hinaus, Dinge zu verdrängen, die wir nicht wahr haben wollen bzw. nicht spüren wollen.
Konkret äußern kann sich dann bspw. darin, dass man alles perfekt machen will, weil man ansonsten Angst hat, abgelehnt zu werden oder zu versagen.
Auch Opferdenken, Flucht in die Arbeit, immer allen helfen wollen oder Macht- und Kontrollstreben sind typische Schutzstrategien.
Auch wenn diese Strategien beim Verdrängen helfen mögen, bringen sie doch einige Probleme mit sich. Menschen, die zum Beispiel sehr harmoniebedürftig sind, haben oft das Problem, dass sie ihre eigenen Wünsche unterdrücken und damit selbst gar nicht wissen, was sie eigentlich wollen. Deshalb fällt es diesen Menschen auch schwer, Entscheidungen zu treffen.
Auch kann es passieren, dass man in eine Sucht verfällt, um der Realität zu entfliehen. Das macht zwar vielleicht kurzfristig glücklich, jedoch sollte man sich bewusst sein, dass man dafür im Normalfall auch einen hohen Preis zahlen muss. Viele schaffen es erst aufzuhören, wenn die Kosten fürs Weitermachen zu hoch werden.
Erkenntnis
Um sich seinem Schattenkind bewusst zu werden, sollte man laut "Das Kind in dir muss Heimat finden" alle negativen Glaubenssätze identifizieren, sich seiner persönlichen Schutzstrategien bewusst werden und schlussendlich das Schattenkind annehmen, trösten und heilen. Dazu gibt es in dem Buch einige Übungen, die aber relativ schlecht zusammenzufassen sind. Im Endeffekt sollen sich aber fast alle Probleme, die wir in unserem Leben haben, auf das Schattenkind zurückführen lassen – so Stefanie Stahl.
Man sollte sich klar machen, dass wir unsere Wirklichkeit durch das Schattenkind und unsere negativen Glaubenssätze selbst erschaffen. Wir können also unsere Konditionierung durchbrechen und unsere Wirklichkeit und damit unsere Gefühle, Gedanken und Handlungen verändern.
Dazu sollte man das Schattenkind ganz bewusst von seinem Erwachsenen-Ich trennen und versuchen, sich dabei zu ertappen, wenn man in den Modus des Schattenkindes verfällt, um in die erwachsene Realität zu wechseln.
Im Endeffekt sind wir selbst dafür verantwortlich ob wir noch weiter in die Opferrolle verfallen und die Verantwortung ständig delegieren oder selbst eine Veränderung starten. Und damit kommen wir schon zum Gegensatz des Schattenkindes: Das Sonnenkind.
Das Sonnenkind
Das Sonnenkind hält unterstützende Glaubenssätze parat und ist im Endeffekt wie ein fröhliches Kind – unbeschwert, spontan und neugierig. Hier geht es darum, seine positiven Glaubenssätze zu finden und seine negativen Kernglaubenssätze umzudrehen.
Außerdem ist es wichtig, mehr über seine Stärken und Ressourcen herauszufinden. Ressourcen sind unsere Kraftquellen. Also zum Beispiel Freunde, Familie oder genug Geld.
Entscheidend sind außerdem unsere Werte. Denn sie sind die Grundlage für unser tägliches Handeln. Hier ist es laut "Das Kind in dir muss Heimat finden" wichtig, Werte zu definieren, mit denen man die Sorgen und Ängste seines Schattenkindes überwinden kann. Ein Gegenwert für Perfektion könnte zum Beispiel Gelassenheit oder Lebensfreude sein.
Laut Stefanie Stahl hängt Glück von unserer Einstellung zum Leben ab und ist wie ein Muskel, den man trainieren kann. Da unser Gehirn nicht gut zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden kann, ist Vorstellung ein wichtiges Werkzeug auf dem Weg zur Veränderung.
Man sollte also positive Assoziationen verankern, sodass man schnell in den Sonnenkind-Modus wechseln kann. Auf unsere Stimmung nimmt übrigens auch unsere Körperhaltung wesentlich Einfluss.
Schatzstrategien
Was machen wir jetzt aber eigentlich mit unseren Schutzstrategien? Die ersetzen wir durch Schatzstrategien, um authentisch, offen und empathisch zu sein. Es geht also darum, zu der Person zu stehen, die man ist und sich nicht in seinen Schutzstrategien zu verstecken.
Dabei ist es wichtig, zwischen Tatsachen und Interpretationen zu unterscheiden. Denn unsere Interpretation der Wirklichkeit bestimmt, wie wir uns fühlen und wie wir handeln. Es ist zum Beispiel eine Tatsache, dass dir der Kollege immer ins Wort fällt, aber es wäre eine Interpretation zu sagen, dass er das nur macht, um dich zu ärgern.
Dazu muss man sich selbst gegenüber ehrlich sein und seine Stärken und Schwächen akzeptieren. Dazu gehört auch, unschöne Dinge nicht zu verdrängen oder vor Problemen zu flüchten. Auch darf man sich selbst und andere Menschen ruhig mal loben, anstatt zu sagen: „Nicht gemeckert, ist Lob genug“.
Außerdem sollte man sich gut um sich selbst kümmern, indem man sich selbst auch mal erlaubt, das Leben zu genießen, anstatt sich ständig mit Arbeit beschäftigt zu halten. Und man sollte zu sich und seiner Meinung stehen und auch mal Nein sagen können – etwas das gerade Menschen, die nach Harmonie streben, schlecht können.
Dazu gehört auch, Konflikte aushalten zu können und nicht davor wegzulaufen. Deshalb sollte man auch Argumentieren lernen.
Menschen, die nach Perfektion streben, sollten erkennen, dass es vielleicht gar keinen Sinn ergibt, sich ständig zu verausgaben. Denn das kann auch schnell zu Burn-out führen. Stattdessen reicht es vielleicht ja auch mal aus, etwas nur „gut“ und nicht perfekt zu machen.
Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass man Fehler machen darf und auch mal scheitern darf.
Um Burn-out vorzubeugen, sollte man lernen, seine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und ein Gespür für seine Belastbarkeitsgrenze entwickeln. Und: Lernen sich selbst zu behaupten. Denn wir haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass es uns gut geht.
Um zu verhindern, dass man den ganzen Tag unmotiviert auf der Couch liegt, sollte man lernen seine Trägheit zu überwinden, indem man sich eine klare Tagesstruktur schafft und diese mit Disziplin durchzieht.
Um seine Beziehung zu anderen Menschen zu verbessern, sollte man aktives Zuhören und Reformulieren trainieren. Beim Reformulieren wiederholt man das bereits Gesagte des Gesprächspartners, um ihm zu zeigen, dass man zuhört und um sicherzugehen, dass man auch alles richtig verstanden hat.
Im Endeffekt bringt es aber auch nichts, darauf zu warten, dass etwas von selbst passiert und z.B. eines Tages der richtige Partner vorbeikommt. Man muss schon selbst aktiv werden und anfangen sein Leben selbst zu gestalten – zum Beispiel mit den richtigen Hobbys und Interessen.
Die Grundlage ist, sich zu erlauben man selbst zu sein und zu sich selbst zu finden. Selbstakzeptanz und Selbstwertgefühl sind hier die beiden Schlüsselwörter, die uns zu einem besseren Leben verhelfen.
Die Praxis
Das Buch lebt allerdings natürlich nicht vom Theorieteil, den ich euch gerade vorgestellt habe, sondern von den praktischen Übungen. Deshalb gibt es neben den Übungen im Buch auch noch zusätzlich ein Arbeitsbuch. Wenn ihr bei den Themen Selbstliebe und Selbstakzeptanz weiter kommen wollt, dann würde ich euch auf jeden Fall empfehlen, von der Theorie in die Praxis zu wechseln. Aber auch nur, wenn ihr euch gut und dazu bereit fühlt. Denn wenn ihr euch in einer schwierigen Lebenssituation befindet, ist es wahrscheinlich sinnvoller, lieber auf professionelle Hilfe zu setzen, anstatt sich selbst zu therapieren.
Ach und übrigens:
„Du bist, was du bist, und das ist alles, was du bist, und du bist gut so! (S. 278)