Tiago Forte stellt in seinem Buch „Building a Second Brain“ (*) bzw. auf Deutsch "Nutzen Sie Ihr zweites Gehirn" (*) ein System vor, das Euch hilft, Euer Leben zu organisieren, Euch an mehr Dinge erinnern zu können und Euer Gehirn dafür zu nutzen, wofür es eigentlich wirklich da ist.
🧠 Was ist ein „Second Brain“?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir erst einmal das Grundproblem anschauen, nämlich dass wir jeden Tag mit Informationen regelrecht überschwemmt werden. So konsumierten wir im Jahr 2008 laut einem Report jeden Tag durchschnittlich über 100.000 Wörter und 34 Gigabyte an Informationen. Eine andere Studie aus 2011 kommt zu dem Schluss, dass wir jeden Tag 174 komplette Zeitungen an Informationen konsumieren – was fünf mal so viel ist wie 1986.
Das können wir uns natürlich nicht alles merken und eigentlich ist unser Gehirn dazu auch gar nicht da. Wie David Allen in seinem Buch „Wie ich die Dinge geregelt bekomme“ schreibt, ist unser Gehirn dazu da, Ideen zu haben und nicht dazu da, sie zu speichern.
Zu David Allens Buch findet ihr übrigens auch schon einen Beitrag auf diesem Blog.
„Your mind is for having ideas, not holding them.” David Allen
📓 Das „Commonplace Book“
Was ist also die Lösung?
Der erste Schritt wäre sich Dinge einfach aufzuschreiben. Aber da fängt oft schon das Problem an. Wir lesen dann irgendwelche Bücher oder hören Podcasts und denken: Daran werde ich mich schon noch erinnern. Oft tun wir es aber nicht und dann verschwindet dieser Gedanke auch recht schnell wieder und so werden wir es nie auf unser Leben anwenden.
Wenn wir uns dazu entscheiden, die Dinge aufzuschreiben, ist eine Möglichkeit einfach ein normales Notizbuch – ein „Commonplace Book“. Und tatsächlich ist das eigentlich keine wirklich neue Idee. So hat bspw. schon Leonardo da Vinci sich die Sachen in einem Notizbuch aufgeschrieben und auch Künstler wie der Comedian Jerry Seinfeld oder auch Tailor Swift berichten davon, dass sie sich ihre Ideen aufschreiben und das dann als Quelle für ihre kreative Arbeit benutzen.
Ein analoges Notizbuch hat aber so seine Probleme: Ihr könnt es bspw. nicht durchsuchen und eure Ideen auch nicht so einfach mit anderen teilen.
Was man stattdessen machen kann, ist ein digitales Commonplace Book. Sobald ihr also etwas interessantes in einem Podcast hört oder einen interessanten Gedanken habt, kommt das in euer digitales Commonplace Book. Und genau das ist euer zweites Gehirn – also euer Second Brain.
✅ Warum das System sinnvoll ist
Aber warum genau sollte man sich überhaupt die Mühe dazu machen? Wenn ihr irgendwie kreativ aktiv seid, ist es vielleicht eigentlich ziemlich klar: Denn diese Ideen aus euerem Second Brain dienen euch unter anderem als Inspiration für eure Arbeit. Wenn ihr also bspw. einen eigenen Blog habt, dann sitzt ihr das nächste Mal nicht mehr dran und überlegt euch über welches Thema ihr schreiben sollt, sondern ihr habt bereits eine Sammlung an Ideen aus denen ihr euch einfach bedienen könnt.
Aber selbst wenn euere Arbeit es nicht so sehr erfordert kreativ zu sein, kann ein Second Brain helfen. Denn laut Tiago Forte braucht man heutzutage eigentlich in jedem Job irgendeine Form von Knowledge Work. Also dass man Informationen als Input hat, damit macht man dann etwas und als Output hat man eine Form von Ergebnis. Ein Second Brain kann also für wirklich jeden hilfreich sein.
🗂️ Die Second Brain-Methode: Das CODE-Framwork
Schauen wir uns jetzt an, wie das Ganze mit dem CODE-Framework in der Praxis aussieht.
CODE steht dabei für:
- Capture
- Organise
- Destill
- Express
📸 1. Capture
Wahrscheinlich benutzt ihr schon bestimmte Systeme wie einen Kalender oder To-Do-Listen, damit ihr euch nicht immer an alles erinnern müsst.
Das Second Brain geht da aber noch einen Schritt weiter, indem man da alle Ideen, die irgendwie relevant für einen sind, in seiner Notiz-App sammelt.
Wobei man dabei aber nicht einfach alles sammeln sollte, das einem über den Weg läuft, denn das würde euer System überfrachten. Auch sollte man jetzt nicht zum Beispiel komplette Buchkapitel oder Blogartikel speichern, denn sich da wieder einzulesen dauert Zeit und wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann werdet wir das vermutlich auch kaum wieder machen. Deshalb sollte man sich immer nur das Wichtigste speichern wie zum Beispiel eine Kurzzusammenfassung des Artikels. Und wenn man dann doch mal mehr wissen will, kann man einfach den Originalartikel aufrufen und sich nochmal einlesen.
Wenn ihr euch unsicher seid, ob ihr etwas speichern solltet oder nicht, könnt ihr euch auf euere Intuition verlassen und euch mal überlegen ob es euch vielleicht inspiriert, es irgendwie nützlich sein könnte, eine persönliche Relevanz hat oder euch dazu anregt, die Welt anders zu sehen.
Welche App ihr dabei nutzt, kommt auf den Einsatzzweck an. Ich persönlich benutze zum Beispiel fürs Studium OneNote, weil man damit in PDFs schreiben kann und diese auch durchsuchen kann. Ansonsten benutze ich noch Notion und die Notiz-App auf dem Handy.
Aber das kommt ganz darauf an, was für ein Typ ihr seid und für was ihr die Notiz-App alles nutzen wollt. Auf der Website zum Buch könnt ihr selbst schauen was am besten zu euch und euren Bedürfnissen passt.
🧭 2. Organise
Jetzt haben wir diese ganzen Sachen gesammelt, aber wir müssen das noch irgendwie organisieren. Was viele hier jetzt vermutlich machen würden, ist die Sachen nach Thema zu sortieren oder danach wo sie die Info gefunden haben. Das heißt man hat dann zum Beispiel einen Order zu Marketing oder man hat zum Beispiel Order für Zitate aus Büchern oder für Interessantes aus Podcasts.
Tiago Forte empfiehlt stattdessen die Sachen da einzuordnen, wo man sie vermutlich wieder gebrauchen kann. Statt es also nach Themen zu sortieren, sortiert man es nach Projekten. Wollt ihr zum Beispiel ein Buch veröffentlichen, dann habt ihr einfach einen Projektordner für das Buch und da kommt alles rein, was irgendwie relevant dafür ist – sprich Ideen für das Cover, interessante Zitate, die man verwenden könnte und auch Ideen zum Marketing. Hättet ihr es nach Themen sortiert, müsstet ihr erstmal die verschiedenen Ordner wie euren Marketing-Ordner oder auch euren Ordner mit Buchzitaten durchschauen und entscheiden, was denn überhaupt für euer Projekt relevant sein könnte.
PARA-System
Tiago Forte hat dazu das PARA-System entwickelt. Dabei teilt man in vier verschiedene Kategorien ein:
- Projekte: kurzfriste Sachen, an denen wir aktuell arbeiten (wie zum Beispiel dieser Blogeintrag hier)
- Areas: Lebensbereiche wie Finanzen oder auch Gesundheit
- Ressourcen: Themen, an denen wir interessiert sind, die man aber aktuell so nicht wirklich braucht (z.B. Ideen für Weihnachtsgeschenke)
- Archiv: Da kommen Sachen rein, die nicht mehr aktiv sind, die aber für die Zukunft wieder interessant sein könnten (z.B. abgeschlossene Projekte)
Nach diesem PARA-System könnt ihr nicht nur eure Notizen organisieren, sondern eigentlich alles. Also auch euer E-Mail Postfach oder auch die Ordnerstruktur auf dem PC.
⚗️ 3. Destill
In nächsten Schritt geht’s darum sich auf das wirklich Relevante zu konzentrieren. Denn im Normalfall haben wir keine Zeit uns unsere Notizen nochmal komplett durchzulesen, sondern man sollte ziemlich schnell das wesentliche daraus erkennen können. Müsst ihr bspw. dem Chef spontan was vorstellen, könnt ihr euch relativ schnell wieder in eure Notizen reindenken – ohne alles komplett durchzuschauen.
Progressive Summarization
Und hier kommt „Progressive Summarization“ ins Spiel, womit ihr eure Sachen relativ schnell wieder findet und auch relativ schnell wieder im Thema drin seid.
Die Methode lässt sich gut in 4 Schritte zusammenfassen:
- Notizen sammeln und kürzen
- Fett markieren
- Highlighten
- Kurzzusammenfassung
Das kann dann bspw. so aussehen:
🎙️ 4. Express
Im letzten Schritt geht’s darum, seine Ideen auch zum Ausdruck zu bringen – denn ansonsten bringt auch das ganze Sammeln und Organisieren nichts.
Oft ist es ja aber so, dass man denkt man wäre noch nicht so weit, was dann dafür sorgt, dass man noch ein Buch liest oder noch ein YouTube-Video anschaut oder noch einen Podcast anhört. Man sollte aber möglichst früh auch in die Umsetzung kommen und seine Ideen testen und Feedback einholen. Denn das Ganze ist ein iterativer Prozess. Es hört also nicht bei der Stufe Express auf, sondern wenn ihr bspw. Feedback bekommt, springt ihr direkt wieder zur ersten Stufe.
Dieser Artikel ist zum Beispiel eine Form von Expressing. Aber auch wenn ihr eine Präsentation zusammenstellt oder einen Song komponiert, ist das eine Form davon, seine Arbeit mit anderen zu teilen.
Wenn ihr noch mehr zum Thema Produktivität wissen wollt, findet ihr hier noch Vorstellung zu David Allens Buch „Wie ich die Dinge geregelt bekomme“. In diesem Sinne: Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal!