70/30-ETF-Strategie
„Finanzfluss-Fans Vorsicht! Warum ETF Sparer in ein offenes Messer laufen könnten!“ – so der Titel von einem von Florian Homms Videos.
Schauen wir jetzt mal in Florian Homms und Moritz Hessels neues Buch "Die Prinzipien des Wohlstands: Denke und investiere wie ein Milliardär*". Und da schreiben sie auf Seite 90:
"Da wir Buffetts Optimismus bezüglich der Zukunft der USA nicht uneingeschränkt teilen und Asien sowie die Emerging Markets als weitere Gewinner des laufenden Jahrhunderts sehen, würden wir passiveren Investoren eher zur 70/30-ETF-Strategie raten, zudem minimiert es das Risiko. Eine der wohl bekanntesten und gleichzeitig beliebtesten Kombinationen ist die aus den Indizes MSCI World und MSCI Emerging Markets."
Und wenig später heißt es:
"Wer sich nicht weiter mit der Geldanlage beschäftigen möchte und noch einen Anlagehorizont von 30 Jahren hat, macht auch nichts verkehrt, wenn er passiv investiert."
Quelle: Homm, F. & Hessel, M. (2022). Die Prinzipien des Wohlstands: Denke und investiere wie ein Milliardär (2. Aufl.). FBV. S. 90.
Also kann man jetzt die 70/30-Strategie verfolgen, für die Finanzfluss steht oder läuft man damit ins offene Messer?
Aber darum soll es heute gar nicht gehen. Denn wofür Florian Homm steht, ist das aktive Investieren mit der Total-Return-Strategie. Wie er dabei vorgeht, schauen wir uns jetzt mit seinem Buch an.
Total-Return-Strategie
Die Autoren Florian Homm und Moritz Hessel verfolgen dabei den sogenannten Total-Return-Ansatz. Dabei geht es darum, in allen Marktlagen Geld zu verdienen.
Viele Fondsmanager vergleichen sich mit Indizes wie dem S&P 500 und wenn der zum Beispiel -10 Prozent gemacht hat, ihr eigener Fonds aber „nur“ -5 Prozent, haben sie theoretisch immer noch eine Überrendite erwirtschaftet.
Beim Total-Return-Ansatz ist das nicht so wichtig. Denn hier geht es darum, immer Geld zu verdienen und zwar unabhängig vom Markt. Dazu setzt man sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse. Man betreibt also Leerverkauf.
Leerverkauf
Beim Leerverkauf leiht man sich eine Aktie und verkauft diese weiter – mit der Absicht, dass der Kurs fällt, man die Aktie zu einem günstigeren Kurs wieder einkaufen kann und an den Verleiher zurückgeben kann. Die Differenz minus Gebühren ist dann der Gewinn.
Natürlich kann das aber auch in die andere Richtung laufen, wenn der Kurs steigt und man dann eventuell dazu gezwungen wird, die Aktie zu einem höheren Preis zurückzukaufen. Dann hat man natürlich ein Verlustgeschäft.
Und da der Kurs einer Aktie unendlich steigen, aber nur auf Null sinken kann, sind beim Leerverkauf die möglichen Verluste unbegrenzt und die Gewinne auf 100 % beschränkt.
Short-Selling eignet sich auch gut, um sich gegen Verluste abzusichern, die es so gut wie möglich zu vermeiden gilt. So kann man beispielweise Pair Trades eingehen (⚠️ keine Anlageberatung!), bei denen man zum Beispiel ein strapaziertes Unternehmen wie die Deutsche Bank shortet – also auf fallende Kurse setzt – und dafür bei einer Qualitätsbank wie JP Morgan long ist – also auf steigende Kurse setzt.
Chancen-Risiko-Verhältnis
Bei ihrer Aktienauswahl geht es den Autoren vor allem um ein attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis unter Einbeziehung exzellenter Wahrscheinlichkeitsrechnungen, wobei das Chancen-Risiko-Verhältnis nicht kleiner als 3:1 sein sollte.
Aus diesen beiden Faktoren leitet sich der Rest ab. Wie genau man hier vorgehen kann, würde den Rahmen sprengen, aber ich möchte euch einige wichtige Tipps vorstellen, wie die Autoren vorgehen.
1. Kategorisieren und Kernpositionen ausmachen
Long (steigende Kurse)
Auf der Long-Seite unterscheiden sie so in
- Nicht-Zykliker
- Zykliker
- Asset-Plays
- Andere Anlageklassen
1. Nicht-Zykliker
Bei den Nicht-Zyklikern gibt es vier verschiedene Kategorien:
a. Zinssubstitute
= hohe Dividendenrendite
b. Wachstumsaktien
= Aktien, die jedes Jahr um mehr als 15 % steigen
c. Average Grower
= Unternehmen mit konstanten Wachstumsraten von 3 – 15 %; am besten mit Burggraben (dazu später mehr)
d. Optionalitäten
= Unternehmen, die im Kurs sehr stark steigen können, wenn ein Katalysator eintritt (wie zum Beispiel, dass ein Medikament zugelassen wird)
2. Zykliker (=unterliegen gewissen Trends)
a. Typische Zykliker
(z.B. Automobil- und Luftfahrtbranche)
= Erträge folgen meist dem Wirtschaftszyklus (in einer Krise kaufen sich eher weniger Leute ein Auto oder fliegen um die Welt)
b. Turnarounds
= Unternehmen, die massive Probleme haben und auch oft kurz vor der Pleite stehen, die aber zu ihrer alten Stärke zurückfinden könnten
3. Asset Plays
= Unternehmen, die auf Werten sitzen, die noch nicht vom Markt erkannt wurden (wie zum Beispiel Patente oder Grundstücke)
4. Andere Anlageklassen
Derivate
Derivate sind Wertpapiere, die einen Index bzw. einen Basiswert abbilden. So kann man bspw. mit dem VIX Future auf die Volatilität des S&P 500 spekulieren. Also ob der Markt in der Zukunft stark schwanken wird oder nicht.
Short (fallende Kurse)
1. Wertzerstörer
= können nicht mal die eigene Kapitalkosten decken
2. Pair Trades
Erklärung: siehe Beispiel in Einleitung
3. "Betting on Zero"
= Unternehmen, deren wahrer innerer Wert bei Null liegt – oft geht’s dabei auch um Unternehmen, die ihre Bilanzen fälschen (Betrug)
4. Valuation
= Unternehmen, die komplett überbewertet sind – v.a. auch im Vergleich zur direkten Konkurrenz
5. Derivate
Erklärung: siehe Long-Seite
2. Auf Burggräben achten
Burggräben sind Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens. Dadurch sind sie in der Lage, langfristig Gewinne einzufahren und diese auch nachhaltig zu steigern. Im Normalfall haben solche Firmen auch eine Preissetzungsmacht und die Einstiegsbarrieren für neue Marktteilnehmer sind oft auch sehr hoch.
Unter anderem gibt es bspw. die folgenden 4 Burggräben:
1. Immaterielle Vermögenswerte
Das sind Vermögenswerte, die einen Preisvorteil schaffen, die man aber nicht anfassen kann – zum Beispiel durch ein Patent, eine Marke oder eine behördliche Zulassung.
2. Wechselkosten
Das ist Aufwand, der entsteht, wenn man von einem Produkt zum anderen wechselt – zum Beispiel bei SAP, Autodesk oder Adobe.
3. Netzwerkeffekt
Das bedeutet, dass der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung steigt, umso mehr Nutzer es gibt. So muss man als Händler bspw. fast schon PayPal, Mastercard oder Visa-Card Zahlung anbieten.
4. Kostenvorteile
UPS hat zum Beispiel ein sehr großes Verteilernetz und kann Pakete überall ausliefern.
Ein Paket mehr oder weniger macht kaum einen Unterschied bei den Kosten, aber sehr wohl beim Gewinn.
3. Börsenpsychologie und Rückkehr zum Mittelwert
Dass Aktienkurse auch maßgeblich von Emotionen wie Angst und Gier beeinflusst werden dürfte mittlerweile kein Geheimnis mehr sein. Aber die Autoren setzen hier darauf, dass sich Kurse langfristig dem fundamentalen Wert annähern, also zum Mittelwert zurückkehren. Deshalb sind Watchlisten auch so wertvoll, weil man da seinem Research festhalten kann und darauf warten kann, bis es ein gutes Chancen-Risiko-Verhältnis gibt.
Fazit
In dem Buch bekommt man also viele Tipps und Tricks an die Hand, die vor allem für aktive Investoren interessant sein dürften. Denn das Buch ist schon ziemlich technisch geschrieben und meiner Meinung nach nicht unbedingt für Einsteiger geeignet.
Und die Frage ist natürlich auch, wie praxisnah die Methoden tatsächlich sind, weil sich wahrscheinlich die wenigsten Privatinvestoren die Zeit nehmen können oder wollen, um die Total-Return-Strategie wirklich umzusetzen. Vielleicht ist das Ziel ja aber auch einfach, dass man sich den Börsenbrief kauft.
Nichtsdestotrotz bekommt ihr aber sehr viel Investmentwissen kurz und kompakt zusammengefasst.